Kommentar der Generalsekretärin Petra Winkler
Nach dem historisch schlechten SPD-Ergebnis zur Europawahl mit ganzen 13,9 Prozent fällt dem SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in seiner Existenzangst als erstes ein, dass man auch bei der Europawahl eine Sperrklausel einführen solle.
Politische Wettbewerber mit formalen Mitteln auszuschließen, ist bekanntlich eine bewährte Methode der Traditionsparteien. Die Rechtfertigung für die 5-Prozent-Sperrklausel bei Bundes- und Landtagswahlen lautet, dass sie Regierungsbildung erleichtern und damit politische Stabilität sichern soll. Begründet wird dies mit den Erfahrungen der Weimarer Republik, dennoch ist es letztlich ein willkürlicher Wert, der das Aufkommen politischer Konkurrenz verhindern soll. Der Aufstieg der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik und deren systematische Destabilisierung vom linken wie vom rechten Rand hatte nichts mit einer fehlenden Sperrklausel zu tun.
Jetzt auch eine Hürde für die Europa-Wahl?
Bei Kommunalwahlen und bei der Europawahl greift die Begründung der Regierungsbildung schon gar nicht, und genau deshalb hat das Verfassungsgericht die früher bestehenden Klauseln kassiert. Jetzt gibt es durch einen von den großen Parteien initiierten Beschluss des EU-Parlamentes, dem auch der Ministerrat zugestimmt hat, die Möglichkeit, auf nationaler Ebene für die EU-Wahl eine 3,5-Prozent-Hürde einzubauen – Ausgang vor dem Bundesverfassungsgericht ungewiss.
Tatsächlich geht es dem SPD-Generalsekretär darum, Pfründe zu sichern. Wenn Mandate für kleinere Parteien wegfallen, gibt es für die großen trotz schwindender Zustimmung mehr zu verteilen. Was zählt der blöde Wählerwille, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Die Zustimmung der Union dürfte gewiss sein. Der Zuwachs an Politikverdrossenheit ebenfalls.
Besser gute Inhalte wählen und nicht das kleinere Übel
Übrigens ist es die Union, die bei Bundes- und Landtagswahlen bislang am meisten von diesem falschen wie durchsichtigen Narrativ profitiert hat: „Wählt nur große Parteien, sonst fällt Eure Stimme unter den Tisch. Wählt taktisch, um diese oder jene Konstellation zu verhindern. Wählt das kleinere Übel.“
Die richtige Antwort lautet: „Wähle besser überhaupt kein Übel, sondern wähle, was Du inhaltlich für überzeugend und richtig hältst.“
Wer wirklich politische Veränderungen will, muss riskieren, dass seine Stimme „unter den Tisch“ fällt. Wenn man dieses Risiko nicht eingeht, dann garantiert man stattdessen die Fortsetzung schlechter Politik. Dann darf man sich anschließend aber auch nicht darüber beklagen.